Sonntag, 30. Oktober 2005, Evang. 
        Kirche Liechtenstein FL
        Predigt Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident 
        
        Zum 125 Jahr Jubiläum (1880-2005)
        Liebe Jubiläumsgemeinde in Christus
        
        125 Jahre Evangelische Kirche im Fürstentum Liechtenstein feiern wir 
        heute mit diesem Gottesdienst. Fürwahr ein Grund zur Dankbarkeit und zur 
        Freude.
        Wir wissen gar nicht, wie vielen Menschen hier im 
        Fürstentum diese Gemeinde in all den Jahren zu einem Fundament in ihrem 
        Leben verholfen hat; wie viele hier Geborgenheit, Freude und Trost 
        fanden.
        Lange Jahre geschah das ohne eigenes Kirchengebäude. 
        Christliche Gemeinde lebt dort, wo Menschen mit Christus und 
        untereinander verbunden sind - mit oder ohne Gebäude; in freier 
        Gemeinschaft, als Verein oder als öffentlich-rechtlich anerkannte 
        Institution.
        Eure Vizepräsidentin hat etwas von der Bedeutung der 
        Liechtensteiner Kirche für Viele im Vorwort zur neuen Festschrift sehr 
        schön beschrieben:
        
        „Ein eigenes Kirchgebäude hatten wir noch nicht, 
        aber wir waren damals, so kommt es mir heute vor, sehr dynamisch. Viele 
        Evangelische, die mit ihren Familien hierher gezogen sind, suchten in 
        der Fremde nach verlässlichen Gemeinschaften, neuen Freundschaften, nach 
        Verstehen und Dazugehören. Die Gemeinde der Evangelischen Kirche Vaduz 
        bot, so merkwürdig das heute klingen mag, für uns Zugereiste ein kleines 
        Stück Heimat.“
        
        Ist das nicht wunderschön, liebe Gemeindeglieder, 
        Menschen während 125 Jahren ein Stück Heimat zu geben? - Heimat in 
        menschlicher Gemeinschaft, Heimat hoffentlich auch in Jesus Christus.
        So sagt denn eure Vizepräsidentin einige Sätze weiter 
        auch:
        
        „Vergessen wir nicht: Im Mittelpunkt des 
        kirchlichen Lebens steht die Verkündigung des Wortes Gottes und nicht 
        ein ‚Event’, der den andern jagt.“
        
        Dieses Vorwort, aber auch die Predigt von Pfr. André 
        Ritter letzten Sonntag hier, oder die Voten, die an 
        Kirchgemeindeversammlungen gehalten wurden oder in eurer Zeitschrift 
        „Forum“ zu lesen sind, zeigen aber auch, dass es heute gar nicht so 
        einfach ist, lebendige Gemeinde zu sein, echte Christusgemeinschaft zu 
        leben. Das geht uns in der St. Galler Kirche nicht anders.
        Unsere Welt und Gesellschaft ist in dramatischem 
        Wandel begriffen. Und darum ist auch unsere Kirche im Wandel.
        Unsere Zeit ist nicht eine Periode der Hochkonjunktur 
        christlicher Kirche. Unsere Gesellschaft ist zwar daran, das Religiöse 
        und dessen gesellschaftliche Bedeutung wieder neu wahr zu nehmen. Aber 
        wir Kirchen haben das Jahrhunderte lange Monopol im Religiösen verloren. 
        Dass wir uns zudem mit der innerchristlichen Ökumene immer noch schwer 
        tun, trägt nicht besonders zu unserer gesellschaftlichen Glaubwürdigkeit 
        bei. Viele unserer wichtigen Dienste und Funktionen im Sozialen wurden 
        inzwischen vom Staat und von Spezialisten übernommen.
        Und doch wären wir so gerne eine christliche Gemeinde, 
        in der es von Leben sprudelt. Wir möchten am Sonntag Kirchen voller 
        lebendiger Menschen erleben
        und mit einer grossen Zahl von engagierten freiwillig Mitarbeitenden. 
        Wir möchten uns wirksam eingebracht sehen in Welt und Gesellschaft, ihr 
        dienen in diakonischem Handeln.
        Wir wissen aber auch, dass die Evangelischen im 
        Fürstentum Liechtenstein eine kleine konfessionelle Minderheit sind. Und 
        dass wir generell als engagierte Christen in unserer Gesellschaft eine 
        Minderheit sind.
        Und so freuen wir uns am heutigen Jubiläum über all 
        das Grosse und Wichtige, das Menschen hier während 125 Jahren erlebt 
        haben und immer wieder erleben. Das wollen wir fröhlich feiern.
        Und trotzdem können wir uns nicht an die Brust 
        klopfen, nicht in kirchlichem Prunk einhergehen  und selbstbewusst 
        herumposaunen, wie gross, wichtig und stark wir seien.
         
        Selig die Schwachen
        Und jetzt frage ich euch, liebe Gemeinde ob denn das 
        Gross-, Wichtig- und Stark-Sein wirklich dem Christlichen entspricht.
        Es entspricht sicher unseren Träumen und Visionen. Und 
        das in bester Absicht.
        Aber wenn wir auf Jesus und auf die Apostel schauen?  
        Die Mission Jesu endete am Kreuz; und jene vieler Apostel und 
        Glaubenszeugen in Tod und Martyrium.
        Wenn wir sehen, wie Gott selber seine Grösse aufgab, 
        um uns in Jesus Christus in der Schwäche zu begegnen, in der Schwäche 
        bis zum Tod am Kreuz - schauen wir da mit unseren grossen Träumen nicht 
        vielleicht in die falsche Richtung?
        Versteht mich richtig. Ich möchte mit dieser Frage 
        nicht die Herausforderung kleiner machen, ernsthaft zu fragen, was es 
        heute in unserer Gesellschaft bedeutet, wirksame, für die Menschen 
        relevante Kirche zu sein. Ich bin auch der Meinung, dass Vieles an 
        unserem Kirche-Sein sich verändern muss.
        Wir wollen uns nicht bequem zurück lehnen und 
        allfällige fehlende Leuchtkraft pseudo-theologisch entschuldigen und zum 
        christlichen Ideal empor stilisieren.
        Aber ich sage, dass das Christliche seit Jesus 
        Christus selber, eben gerade in Gottes Kraft in den Schwachen besteht.
        Und die Zeiten, in denen die Kirchen stark und mächtig 
        waren, waren gar nicht immer auch die Zeiten, in denen sie echt, 
        glaubhaft und der Sache treu das Christliche vertraten; in denen sie 
        wirklich lebten, was Jesus Christus uns vorgelebt hat.
        Pfarrer André Ritter hat mir letzte Woche den Ablauf 
        und die vorgesehenen Lieder und Texte für diesen Gottesdienst zugesandt.
        Ich fand es wirklich spannend, welcher Bibeltext für 
        die heutige Lesung ausgewählt worden war.
        Kein triumphaler Jubeltext zum Jubiläum, sondern Jesu 
        Worte aus der Bergpredigt, die Seligpreisungen.
        
        Selig die Armen,
        selig die Trauernden,
        selig die Sanftmütigen,
        selig die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit
        selig die Barmherzigen,
        selig die reinen Herzens sind,
        selig die Friedfertigen,
        selig die Verfolgten und Geschmähten.
        „Freuet euch und frohlocket!“
        
        Selig nicht die Starken und Erfolgreichen, sondern 
        selig die Schwachen und an den Rand der Gesellschaft Gedrängten. 
        „Freuet euch und frohlocket!“
         
        Gottes Kraft ist in den 
        Schwachen mächtig
        Und damit komme ich jetzt zu zwei Bibeltexten, die ich 
        dieser Predigt zugrunde gelegt habe.
        Der eine ist das zusammenfassende Wort des Apostels 
        Paulus zum Thema Starke und Schwache. Im 2. Brief an die Gemeinde in 
        Korinth, in Griechenland, schreibt er mit Blick auf sich selber:
        
        „Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2. 
        Kor. 12, 9)
        
        Paulus erlebt und versteht sich selber als Schwacher.
        In seinem 1. Brief an die Korinther hatte er diesen 
        Sachverhalt an der Zusammensetzung der Gemeinde in Korinth selber 
        exemplifiziert. Ich lese 1. Kor. 1, 26-31:
        
        „Sehet doch nur eure Berufung an, ihr Brüder:
        Nicht viele Weise nach dem Fleische,
        nicht viele Mächtige,
        nicht viele Leute von vornehmer Geburt [sind berufen],
        sondern was vor der Welt töricht ist,
        hat Gott erwählt,
        damit er die Weisen zuschanden mache,
        und was vor der Welt schwach ist,
        hat Gott erwählt,
        damit er das Starke zuschanden mache,
        und was vor der Welt niedrig geboren und was verachtet ist,
        hat Gott erwählt,
        das, was nichts gilt,
        damit er das, was gilt, zunichte mache,
        auf dass sich kein Fleisch vor Gott rühme.
        Von ihm aber kommt es,
        dass ihr in Christus Jesus seid,
        der uns zur Weisheit gemacht worden ist von Gott,
        zur Gerechtigkeit
        und zur Heiligung
        und zur Erlösung,
        damit es geschehe, wie geschrieben steht:
        ‚Wer sich rühmt,
        der rühme sich des Herrn.’“
        
        Eben: „Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig“ 
        (2. Kor. 12, 9)
        Liebe Gemeinde
        Wenn man diesen Text so vorgelesen erhält, versteht 
        man ihn wohl zuerst nicht so leicht, zumal in der Übersetzung der guten 
        alten Zürcher Bibel.
        Paulus sagt den Gemeindegliedern in Korinth: Schaut 
        euch mal selber an. Nicht viele von euch sind gelehrte Menschen und 
        gescheite Köpfe. Nicht viele von euch haben politischen und 
        gesellschaftlichen Einfluss. Nicht viele von euch sind adlig geboren und 
        gehören der Aristokratie an.
        Die meisten Gemeindeglieder in dieser griechischen 
        Hafenstadt Korinth sind einfache Menschen: freigelassene Sklaven, 
        Handwerker, Kleinhändler, Seeleute. Die meisten mit wenig Bildung, nicht 
        aus vornehmem Haus.
        Nicht, dass die andern ausgeschlossen wären, es gibt 
        sie auch. Aber eben: diese christliche Gemeinde fällt nicht auf durch 
        Prominenz und Stärke. Nein, einfache Menschen sind es zumeist, nichts 
        Spektakuläres. Keine Leute, die man auswählen würde, wenn man die Welt 
        verändern will.
        Aber von diesen zumeist einfachen Menschen sagt 
        Paulus, dass eben gerade sie als Einfache, als Schwache, ja gar als 
        gesellschaftlich Verachtete von Gott gerufen wurden. Dreimal heisst es: 
        Sie „hat Gott erwählt“.
        Und warum gerade sie? „Damit niemand sich rühme“ lesen 
        wir in Vers 29.
        Was Gott schenkt, das ist Geschenk. Damit kann man 
        nicht plagieren, nicht gross angeben. Nicht im Alltag und nicht einmal 
        am Kirchenjubiläum.
        „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn“, zitiert 
        Paulus in Vers 31 den Propheten Jeremia.
        Und nocheinmal: Wer wird von Gott so gerufen, wer wird 
        von Gott so beschenkt? Die Schwachen, die Törichten, die Niedrigen und 
        die an den Rand der Gesellschaft Gedrängten.
        Denn, so Paulus im Blick auf sich selber: „Gottes 
        Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (2. Kor. 12, 9).
        Nun kann man natürlich die Situation damals in Korinth 
        nicht so einfach mit derjenigen im Fürstentum Liechtenstein von heute 
        gleichsetzen.
        Man kann auch die Herausforderungen, die sich uns 
        heute als Kirche im 21. Jahrhundert stellen nicht so einfach damit 
        abhaken, dass wir bequem und faul da sitzen, die Menschen von heute und 
        ihre Probleme Menschen von heute sein lassen und das Schwachsein 
        verherrlichen, es uns wohl sein lassen in einer kuscheligen Gruppe 
        Gleichgesinnter.
        Aber richtig ist sicher, dass es auch bei uns nach wie 
        vor darum geht, Gott unter uns wirken zu lassen, Gottes Ruf an die 
        Menschen heran zu tragen und dann mit den Menschen, die sich von diesem 
        Ruf treffen lassen, Gemeinde und Christusgemeinschaft zu leben. Nicht 
        nur für uns selber. Sondern wie eh und je auch im Dienst am Nächsten und 
        in der Gesellschaft. Nicht nur mit und für die gesellschaftliche 
        Noblesse und die bürgerliche Intelligentia, sondern gerade auch mit 
        jenen Menschen, die in Welt und Gesellschaft wenig oder nichts gelten.
         
        Die Frau von Santa Pola
        Ich war vor kurzem in den Ferien wieder in Spanien. 
        Wie so manches ist mir gelegentlich auch dieser Festgottesdienst durch 
        den Sinn gegangen. Und dann fiel mir beim Herumschauen vom Balkon meines 
        kleinen Hotels eine Szene auf, die ich sofort mit Liechtenstein und mit 
        unserem heutigen Christsein als Minorität in der Gesellschaft überhaupt 
        in Verbindung brachte.
        Ich muss euch gestehen, dass ich zuerst zögerte, diese 
        Situation wirklich in dieser Predigt zu verwenden. Es ist das Ziehen 
        einer eigenartigen Parallele, wohl nicht besonders typisch für eine 
        Festpredigt. Aber sie hat mit der Kraft von in den Augen der Menschen 
        Schwachem zu tun. Darum beschreibe ich sie jetzt.
        Das Hotel, in welchem ich immer mal wieder einige 
        Ferientage verbringe, steht im Fischerstädtchen Santa Pola, südlich von 
        Alicante in Spanien. Es liegt in der Nähe des Fischerhafens und schaut 
        direkt auf den nicht so grossen zentralen Strand des Städtchens. Ein 
        einfaches Hotel in einer vom Massentourismus nur wenig berührten 
        Umgebung. 
        Direkt gegenüber am Strand liegt ein längeres, 
        hübsches Gebäude, einstöckig. Darauf und dahinter eine Gartenanlage mit 
        einem kleinen Café, beschattet von grünen Palmbäumen. Vorne der Strand 
        mit einigen vermieteten Liegestühlen und Sonnenschirmen. Friedliche 
        Herbststimmung, über allem eine goldig wärmende Sonne.
        Das lang gestreckte Gebäude ist quasi die 
        Service-Station für den Strand: Ein Magazin für die Liegestühle und 
        Sonnenschirme, ein Ersthilfe-Raum, eine kleine Bar und eine 
        Toilettenanlage. Und eben um diese Toilettenanlage geht es.
        Es fiel mir auch dieses Jahr wieder auf, dass es mit 
        dieser Toilettenanlage eine besondere Bewandtnis hat.
        Jeden Morgen wird sie von einer älteren Frau geöffnet. 
        Ich schätze sie auf etwa 75 Jahre. Als erstes bringt diese Frau mit 
        einem Einkaufsrolli einige wunderschöne Blumentöpfe auf das 
        Steinbänklein vor der Anlage, jeden Tag andere Blumentöpfe. Dann wischt 
        sie in aller Ruhe mit einem Besen den Plattenweg vor dem Haus. 
        Anschliessend wird mit einem Rechen im Sand vor der Eingangstüre ein 
        Rechteck von ungefähr 4 mal 5m markiert, und diese Fläche dann 
        sorgfältig gerecht und die Sauberkeit kontrolliert.
        Auf diese so gepflegte Sandfläche kommen nun einige 
        Stühle und ein farbiger Sonnenschirm. Hier sitzt die Frau den ganzen 
        Tag, wenn sie nicht gerade mit der Reinigung beschäftigt ist. Eine 
        lebendige Einladung, sich ebenfalls mal in diesem Gärtchen hin zu setzen 
        und mit ihr und anderen Menschen etwas zu plaudern. Es ist eine kleine, 
        ruhige Oase von 20 m2. Daneben die Bar und vorne das Strandleben mit 
        Familien, verliebten Pärchen und Fussball spielenden Jungen.
        Ich wollte diese Frau einmal etwas genauer kennen 
        lernen.
        Das kleine Reich ihrer Verantwortung besteht aus drei 
        Räumen: Aus einem Entrée und je einem Herren- und Damenabteil mit je 
        drei Kabinen.
        Die Frau ist von der Stadtverwaltung angestellt, wohl 
        sehr bescheiden entlöhnt, daneben gibt’s gelegentlich mal ein bisschen 
        Trinkgeld. Die Anlage ist stets blitzblank und wohl riechend, überall 
        glitzernde Sauberkeit.
        Die grosse Überraschung aber ist der mittlere Raum, 
        das Entrée – ein kleiner botanischer Garten.
        Blumentöpfe an Boden und Wänden, täglich sorgfältig 
        gepflegt, jedes Blatt einzeln mit einem feuchten Tuch abgewischt. Die 
        einzelnen Töpfe werden abwechslungsweise für je einen Tag ins Freie 
        gebracht.
        Darüber ein Bild aus jüngeren Tagen. Sie und ihr Mann 
        – ein hübsches Paar. Jetzt ist er gestorben. Daneben einige alte Photos 
        von Santa Pola, vom Hafen, vom Markt und von der Kirche.
        Die Frau erzählt mir, dass sie Witwe ist und seit 
        vielen Jahren hier arbeitet. Sie liebe Pflanzen, und diese lieben sie.
        Sie reinigt die Anlage. Und sie sitzt im 
        Sommerhalbjahr jeden Tag da, steht einfach zur Verfügung für Menschen, 
        die sich ein bisschen in ihren Sandgarten setzen, mit ihr plaudern oder 
        mit ihr zusammen schweigen. Ihr Gottvertrauen ist spürbar, prägt ihre 
        Persönlichkeit.
        Liebe Gemeinde
        Wie komme ich dazu, eine gedankliche Verbindung 
        zwischen dieser Frau und Kirche herzustellen?
        Für mich gehört sie zu den Kleinen und in 
        gesellschaftlicher Sicht Schwachen. Über WC-Frauen wird normalerweise 
        nicht einmal gepredigt.
        Eine Witwe in fortgeschrittenem Alter, für ihr 
        bescheidenes Leben wohl auf einige Euros Verdienst angewiesen. Nichts 
        Spektakuläres, eine Frau, wie sie in so vielen Ländern, an so vielen 
        Orten anzutreffen sind.
        Aber diese Frau macht aus ihrem kleinen 
        Verantwortungsbereich sehr viel. Nicht nur, dass sie die zugewiesene 
        Verantwortung für saubere Räumlichkeiten sehr gewissenhaft wahr nimmt. 
        Nein, sie macht darüber hinaus aus ihrem Entrée einen blühenden 
        botanischen Garten, der einen mit seinem Duft erfrischt, wenn man nur 
        schon ein tritt.
        Und sie schafft inmitten der Geschäftigkeit des 
        Strandlebens eine kleine, wiederum sorgfältig gepflegte Oase der 
        Menschlichkeit. 
        Kein Zwang, keine Konsumation, keine Bezahlung, 
        nichts. Nur das nicht einmal ausgesprochene Angebot, sich etwas hin zu 
        setzen, zu ruhen, oder einige Worte über Gott und die Welt mit ihr 
        auszutauschen.
        Diese Frau verändert nicht die Welt, nicht die 
        spanische Gesellschaft. Aber sie strömt Kraft und Menschlichkeit aus. 
        Soviel Kraft und Menschlichkeit, dass ich heute weit weg im Fürstentum 
        Liechtenstein über sie predige.
        Sie lebt eine Haltung, welche die Welt verändern 
        würde, wenn alle Welt sie lebte.
        Die Tätigkeit dieser Frau ist nicht einmal speziell 
        religiös. Aber für mich verkörpert sie etwas von der Kraft Gottes in den 
        Schwachen.
        Ein Mensch, gesellschaftlich als schwach und sozial 
        niedrig eingestuft. Aber auch ein Mensch, der seine Verantwortung wahr 
        nimmt, der im Dienst an anderen Menschen steht und mit den Blumen auch 
        im Dienst an Gottes übriger Schöpfung.  Ein Mensch, der uns trotz 
        seines Schwach- und Unbedeutend-Seins in verschiedener Hinsicht Vorbild 
        sein kann, beides, als einzelne Menschen und als Kirche.
        Unsere reformierten Kirchen sind keine prunkvollen 
        Organisationen an erster Lage.  Aber sie haben ihren Platz und ihre 
        wichtige Aufgabe in unserer Welt und Gesellschaft. Entscheidend ist, was 
        Menschen an diesen Orten erleben. Entscheidend ist, ob hier Gottes Ruf 
        an sie ergeht.
         
        
        Liebe Gemeinde
        Die evangelische Kirchgemeinde im Fürstentum 
        Liechtenstein verfügt heute über mehr als drei Räume und 20 m2 
        Sandplatz.
        Es gab aber auch Zeiten, da hatte sie keine eigenen 
        Räume.
        Ich glaube, dass damals und heute die Aufgabe gleich 
        war: Zusammen mit Menschen im Fürstentum christliche Gemeinde zu leben, 
        Christusgemeinschaft zu sein. Oder mit dem Leitwort unserer St. Galler 
        Kantonalkirche gesagt: Kirche 
        „nahe 
        bei Gott – nahe bei den Menschen“ zu sein.
        Was das konkret bedeutet, das muss jede Generation 
        wieder je für sich neu herausfinden und neu gestalten.
        Das ist nie mit Glanz und Gloria verbunden, so dass 
        wir uns selber in die Brust werfen und unser Selbstlob singen könnten. 
        Wo das geschieht, sollte es uns misstrauisch machen. Denn Gott ist in 
        den Schwachen mächtig. Gott beruft gerade die Schwachen und die 
        Niedrigen.
        Aber im Rückblick auf 125 Jahre stellen wir dann auch 
        mit grosser Freude fest, was durch Gottes Geist und das Engagement der 
        von ihm Berufenen an für die Menschen und für die Gesellschaft Wichtigem 
        geworden ist.
        Lasst uns dafür Gott und all diesen vielen Menschen 
        heute ganz besonders herzlich danken.
        Und lasst uns aufbrechen in die nächsten 125 Jahre. Im 
        Wissen darum, dass wir gerufen sind als die, die wir eben sind. Und dass 
        Gottes Kraft gerade auch dann wirkt, wenn wir uns schwach fühlen oder 
        wenn wir schwach sind.
        Gottes Segen sei mit euch und mit der ganzen 
        Evangelischen Kirche im Fürstentum Liechtenstein.
        Amen.