„Zu Lob und Dank Gottes“, Dominik Zili, 
      Hsg. Frank Jehle, TVZ Zürich, 2010
      Buchvernissage, 15. Sept. 2010, Waaghaus St. Gallen
        Ansprache Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident 
         
        
        Das älteste reformierte 
        Kirchengesangbuch der Deutschschweiz
        Liebe 
        Freundinnen und Freunde des Kirchengesangs,
        jetzt kann man es also nach vielen Jahrhunderten wieder selber in der 
        Hand halten: Das älteste reformierte Kirchengesangbuch der 
        Deutschschweiz, zusammengestellt 1533 in St. Gallen vom St. Galler 
        Schulmeister und Prediger Dominik Zili.
        Im Namen des 
        Kirchenrates der Evang.-ref. Kirche des Kantons St. Gallen darf ich dem 
        Herausgeber, Pfr. Frank Jehle, dem graphischen Gestalter, Herr Urs 
        Hochuli, sowie der Verlagsgemeinschaft St. Gallen und dem Theologischen 
        Verlag Zürich ganz herzlich danken und gratulieren. Sie haben dem 
        modernen St. Gallen sein erstes Gemeindegesangbuch wiedergeschenkt.
      Frank Jehle und 
      Urs Hochuli werden uns später das Werk näher vorstellen. Ich möchte hier 
      die Gelegenheit benützen, etwas Grundsätzliches zu sagen zur grossen 
      Bedeutung des Kirchengesangs und der Kirchenmusik insgesamt für das Leben 
      der christlichen Gemeinde.
      Stellt man sich 
      die urchristliche Gemeinde vor, so hat man schnell eine mehr oder weniger 
      grosse Gruppe von Menschen vor Augen, die sich singend zum Gottesdienst 
      versammelt.
      Zahlreiche antike 
      Berichte bezeugen die besondere Affinität der ersten Christen zum 
      gemeinsamen Lobgesang So berichtet etwa Plinius der Jüngere in seinem 
      „Christenbrief“ an Kaiser Trajan, dass die Christen des ersten 
      Jahrhunderts in ihren Gottesdiensten und Versammlungen 
      „Christus als ihrem Gott einen Wechselgesang zu singen“ 
      pflegten. Und auch die paulinischen Schriften deuten an verschiedenen 
      Stellen an, dass die ersten Gemeinden sehr sangesfreudig waren.
      Die christliche 
      Kirche war von Anfang an eine singende Kirche. Gottesdienstliches Singen 
      war von Beginn an  ein liturgisches und musikalisches 
      Erkennungszeichen der Christenheit. 
      Es ist daher sehr 
      sachgerecht, wenn Dominik Zili seinem St. Galler Gesangbuch die beiden 
      Texte Epheser 5,19 und Kolosser 3,16 voranstellte:
      
        „Redend 
        underainandern von Psalmen und lobgesange 
        und gaistlichen liedern.Singend unnd psallierend dem Herren in üweren 
        Hertzen.“
      
      Und:
      
        „Leerend und 
        ermanend üch selbs mit Psalmen und lobgesangen unnd gaistlichen liederen 
        in der gnad und singend dem Herren in üweren hertzen."
      
      Wir können uns 
      heute nur darüber freuen, dass die St. Galler Reformation nicht den 
      strengen, gemeindegesangfreien Zürcher Weg gegangen ist, sondern bereits 
      früh den wichtigen Beitrag des Kirchengesangs und später der Kirchenmusik 
      ganz generell für das Leben der Gemeinde erkannt hat.
       
      Kirchenmusik 
      verändert sich mit den sich verändernden Menschen
      Musik ist eine grossartige Gabe Gottes zur Nährung und 
      Erfüllung der menschlichen Seele. Gute Musik kommt aus der Ganzheit des 
      singenden und musizierenden Menschen, und sie spricht den ganzen Menschen 
      des Zuhörenden an.
      Das Kriterium für gute Musik ist nicht  - und das 
      können wir gerade vom Gemeindegesang lernen – wie virtuos die 
      Instrumenten- oder Stimmbeherrschung ist, auch nicht, wie akrobatisch der 
      Parcours der Melodielinien, der Akkordfolgen und Rhythmen absolviert wird.
      Selbstinszenierung mag dem Musiker und dem Chor Ehre 
      bringen und den Zuhörenden schmeicheln. Wahre Musik ereignet sich aber 
      erst dort, wo sich im Musizieren der musizierende Mensch zeigt, wo er sich 
      ausdrückt, wo er für andere hör- und spürbar wird, wo er sich exponiert 
      und damit auch verletzlich wird. - Im kirchlichen Singen und Musizieren 
      zudem dort, wo der oder die Musizierende sich Gott öffnet und mit ihm in 
      Beziehung tritt.
      Es erstaunt aus diesem Grund nicht, dass die Musik 
      insgesamt, aber auch die Kirchenmusik, immer in Wandlung begriffen war und 
      ist. Sie drückt die jeweilige Zeit und das Lebensgefühl von deren Menschen 
      aus. Sie ist geprägt von der jeweiligen Theologie, von der Gesellschaft 
      und deren Ausdrucksweisen. 
      Und so musste und muss sich auch Kirchenmusik immer 
      wieder mit den sich verändernden Menschen verändern, sollte sie und soll 
      sie echter Ausdruck des Glaubens sein, weiterhin Glauben wecken und 
      bestärken.
      Das wurde auch in der St. Galler Reformationszeit 
      sichtbar. Der theologisch motivierte Übergang von der Messe zum 
      reformierten Gottesdienst hatte eine neue Musik zur Folge: der gemeinsame 
      reformierte Kirchengesang. Für ihn legt das St. Galler Kirchengesangbuch 
      von Dominik Zili Zeugnis ab.
      Der neue Kirchengesang war aber nicht eine Erfindung im 
      luftleeren Raum. Nein, er beruhte auf Gewohnheiten, auf Melodien und 
      Texten früherer Zeiten. Es war ein Anknüpfen an jahrhundertealte 
      musikalische Traditionen, und gleichzeitig ein Aufbruch zu neuen, der 
      Reformationszeit entsprechenden kirchenmusikalischen Formen und Aussagen.
      Nach meiner Meinung bleiben wir Heutigen darum diesem 
      Geist der Reformation nur treu, wenn wir dieses Zugleich von Anknüpfung an 
      Tradition und Aufnahme des gegenwärtigen Lebensgefühls unsererseits mutig 
      weiterführen.
      Ich freue mich darum wirklich sehr, dass in unserer St. 
      Galler Kirche auch heute faszinierende kirchenmusikalische Prozesse und 
      Entwicklungen am Laufen sind. Sie verbinden die sorgfältige Pflege der 
      Tradition mit der Pflege neuer, „populär“ genannter Musikformen.
      Rudolf Lutz, gegenwärtig Kirchenmusiker an derselben St. 
      Laurenzenkirche, in welcher 1533 die Liedersammlung von Dominik Zili 
      eingeführt wurde, ist für mich ein hervorragendes Beispiel einer solchen 
      gelingenden Verbindung verschiedener kirchenmusikalischer Stilrichtungen 
      in einer einzigen Person.
      Die vielfarbigen Arten von Musik, die in unserer Kirche 
      heute gepflegt werden, drücken heutiges, authentisches Christenleben und 
      Lebensgefühl aus. Sie stärken auch heute den Glauben und die Gemeinschaft 
      in unserer Kirche.
      Musik kommt von lebendigen Herzen. Musik berührt 
      lebendige Herzen. Sie lebt Glauben, sie bezeugt Glauben, und sie weckt 
      Glauben. - 2010 genauso wie 1533.
      Dafür sind wir Gott und den Menschen dankbar.
      Danke.