Bettagsgottesdienst Evang.-ref. 
        Kirchgemeinde Bad Ragaz
        Sonntag, 21. Sept. 2008
        
        
        Predigt Pfr. Dr. Dölf Weder, Kirchenratspräsident
        
        
        
         
        
        A) Der Eidgenössische Dank-, Buss- und 
        Bettag
        
        
        Liebe Gemeinde
        
        Das Bibelwort, das heute in unser Leben hinein sprechen soll, stammt vom 
        Apostel Paulus. Es ist kurz und knapp - und dazu noch glasklar. 
        Eigentlich braucht es nicht einmal eine Auslegung. Wir sollten es 
        einfach leben.
        Wir finden den Satz im 6. 
        Kapitel des Briefes an die Galater, Vers 2:
        „Einer trage des anderen Last.“
        Nun muss ich Ihnen als erstes 
        aber sagen, dass Sie sich bezüglich der Auslegung dieses Wortes noch 
        etwas gedulden müssen. Ich möchte mich nämlich gewissermassen von hinten 
        an diesen bekannten Text anschleichen.
        Zuerst wollen wir uns einige 
        Gedanken machen über den besonderen Sonntag, den wir heute feiern.
        Wir feiern am heutigen Sonntag 
        ja in der ganzen Schweiz den Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag.
        Dieser Tag ist kein kirchlicher 
        Feiertag, sondern er ist von unserem Staat verordnet, genauer: von der 
        Eidgenossenschaft, - von der Politik in Bern also, und das seit dem 19. 
        Jahrhundert und in einer Tradition, die noch viele hundert Jahre weiter 
        zurück reicht.
        Ich finde diese Tatsache 
        bemerkenswert. Da haben unsere Parlamentarier damals also erkannt, dass 
        es für unser Land wichtig ist, dass sich die Bürgerinnen und Bürger 
        einmal im Jahr an einem Sonntag speziell Zeit nehmen, um zu danken, 
        Busse zu tun und zu beten.
        Der Eidgenössische Dank-, Buss- 
        und Bettag genoss in unserer Gesellschaft bis in die zweite Hälfte des 
        20. Jahrhunderts hinein grosse Bedeutung und grosse Wertschätzung. Man 
        besuchte feierliche Gottesdienste in den Kirchen oder spezielle 
        Bettagsgottesdienste auf freiem Feld. Man verzichtete nach Möglichkeit 
        auf das Autofahren und auf lärmige Beschäftigungen.
        Wie so viele andere 
        Gepflogenheiten und Feiertage wurde auch der Bettag in den letzten 
        Jahren zunehmend nivelliert. Er verlor immer mehr von seinem speziellen 
        Charakter und wurde zu einem normalen Sonntag unter anderen. Zwar 
        versuchte bisher noch niemand im Parlament in Bern, diesen Feiertag 
        wieder abzuschaffen. Aber ob heute noch eine Mehrheit im National- und 
        Ständerat einen Eidg. Dank-, Buss- und Bettag beschliessen würde?
        Danken soll das Volk also, Busse 
        tun für Falschgelaufenes in unserem Staat und in unserem persönlichen 
        Leben, und Beten für unser Volk und für unsere Welt.
        Wir sollten diese drei 
        Stichworte auch für die Gestaltung unseres persönlichen Tages heute gut 
        im Auge behalten: Wofür haben wir in unserem Leben zu danken? Wofür 
        sollten wir Busse tun? Und wofür sollten wir beten?
        Und dann lasst es uns auch tun, 
        hier im Gottesdienst und dann zuhause im stillen Kämmerlein: Danken – 
        Busse tun – beten.
         
        
        Eine spezielle Gepflogenheit 
        gilt für diesen Feiertag seit altersher: Das Publizieren eines 
        sogenannten „Bettagsmandates“. Es geht dabei um ein öffentliches 
        Schreiben der Obrigkeit an die Bürgerinnen und Bürger. Das Bettagsmandat 
        soll in allen Gottesdiensten verlesen werden. Und vielfach wurde es 
        früher auch in den Zeitungen abgedruckt. Im Toggenburg macht man das 
        heute noch.
        Je nach Kanton wird das 
        Bettagsmandat entweder von der Kantonsregierung, oder von den Kirchen 
        oder von beiden gemeinsam verfasst.
        Im Kanton St. Gallen schreibt es 
        für die Evangelischen der kantonale Kirchenrat. Technisch machen wir das 
        so, dass jedes Jahr ein anderes Mitglied des Kirchenrates einen Entwurf 
        schreibt. Der wird dann im Gesamtkirchenrat durchgesehen und 
        verabschiedet.
        Unsere St. Galler Bettagsmandate 
        haben darum jedes Jahr einen etwas anderen Stil und vertreten ein 
        anderes Anliegen. Sie sind stark geprägt vom jeweiligen Verfasser oder 
        der jeweiligen Verfasserin.
        Das diesjährige Mandat hat 
        Kirchenrat Hans Peter Schmid entworfen. Hans Peter Schmid wohnt in 
        Wattwil. Von Beruf ist er Treuhänder, im Kirchenrat der Finanzchef. Der 
        Mann hat also viel mit der Wirtschaft und mit Geld zu tun.
        Über das diesjährige 
        Bettagsmandat hat er den Titel „Strapazierte Solidarität“ gesetzt.
        Statt Ihnen das Bettagsmandat 
        erst ganz am Ende des Gottesdienstes, so unter Verschiedenes und 
        Mitteilungen, noch schnell zur Kenntnis zu bringen, lese ich es Ihnen 
        jetzt vor. Anschliessend wollen wir uns darüber einige weiterführende 
        Gedanken machen.
        Wie wir gleich hören werden, 
        kritisiert Kirchenrat Schmid, dass wir das grosse Wort „Solidarität“ 
        heute viel, schnell und für alles Mögliche verwenden, - das aber oft 
        bloss in Verfolgung unserer eigenen Interessen oder der Interessen von 
        uns nahe stehenden Gruppen und Parteien. Wo’s unbequem wird, kneifen 
        wir. Solidarität richtet sich zudem oft gegen Andere, gegen nicht zu 
        unserer eigenen Gruppe Gehörende.
        Ich zitiere das 
        kantonalkirchliche Bettagsmandat 2008, verfasst von Kirchenrat Hans 
        Peter Schmid:
        Liebe Mitmenschen
        
        Die "strapazierte Solidarität" - unter diesem Titel soll das diesjährige 
        Bettagsmandat stehen. Beide Worte sind dabei wichtig, denn das Wort 
        Solidarität wird im heutigen Umgang und Sprachgebrauch sehr vielfältig 
        verwendet und oft auf die eigenen Bedürfnisse Mass geschneidert. Überall 
        wird "Solidarität" verwendet, mit dem Zweck, dem eigenen Handeln einen 
        guten Anstrich zu verleihen, es zu rechtfertigen.
        Es fängt im kleinen Kreis an, 
        in der Familie, in der Schule, in der Firma, im Verein, in der Partei, 
        in der Religionsgemeinschaft. Oder als St. Galler, Schweizer, Europäer, 
        Amerikaner, Afrikaner. Immer gibt es etwas, wo wir uns solidarisch 
        zeigen können, wo wir hoffen, mit Solidarität Anerkennung zu erlangen, 
        Ziele zu erreichen, Vorteile zu bekommen.
        Dabei nimmt Solidarität 
        verschiedene Formen an. Hier handeln wir gemeinsam, ziehen am gleichen 
        Strick - schon sind wir solidarisch. Dort haben wir die gleiche Meinung 
        zu einem Thema und verteidigen diese vehement gegen alles andere - schon 
        sind wir solidarisch. Oder wir engagieren uns gemeinsam für einen guten 
        Zweck, für eine gute Sache - schon sind wir solidarisch.
        Das Interessante an dieser 
        Solidarität ist, dass sie in verschiedenen Gruppierungen und 
        Zusammensetzungen - und innerhalb all dieser auch übergreifend - statt 
        finden kann und sehr vielfältig ist - aber oft bezogen auf die eigenen 
        Interessen. Vielfach endet sie dort, wo sie eigentlich erst beginnen 
        sollte. 
        Nämlich bei der christlichen 
        Nächstenliebe.
        Die christliche Nächstenliebe 
        grenzt nicht ab und grenzt nicht aus. Sie macht keinen Halt vor 
        irgendwelchen Stopp-Schildern, sie kennt keine Schranken, keine 
        Ideologien. Machtansprüche und Materialismus sind ihr fremd. Sie gilt 
        für alle gleich.
        Jetzt wird es schwer, 
        Solidarität zu leben. All meine bisherigen Bemühungen scheinen auf den 
        Kopf gestellt. Die bisher gelebte Solidarität war immer klar abgegrenzt 
        zu einem Handeln, einer Gesinnung oder einem Interesse anderer. Nun wird 
        von mir zu jedem Menschen christliche Nächstenliebe gefordert - 
        Solidarität im immateriellen wie auch im materiellen Bereich und das 
        gleich mit der Aufforderung: wer dich bittet, dem gib, und wer von dir 
        borgen will, den weise nicht ab.
        Wie kann ich diese Forderung 
        in meinen Alltag einbauen, wie kann ich damit in meinem vielfältigen 
        Berufs- und Privatleben umgehen, wo ich doch mannigfaltig eingebunden 
        und vernetzt bin? Es ist doch viel einfacher, im Fluss mit zu schwimmen 
        und die Meinung anderer zu teilen. So verlässt manch einer den Pfad 
        christlicher Solidarität, wenn der Weg steinig wird oder Widerstand 
        entgegen tritt.
        Doch im Alltag sind nicht 
        grosse Würfe gefragt, eher viel Kleinarbeit. Oft würde es genügen zu 
        widersprechen, einen geschmacklosen Witz auch entsprechend zu 
        kommentieren oder eine Aussage nicht sang- und klanglos hin zu nehmen, 
        wenn unter der Gürtellinie geschossen wird. - Keine Angst vor der 
        eigenen Courage haben. Die angesprochenen Themen, die die eigene 
        Solidarität auf den Prüfstand stellen, sind meistens die gleichen: 
        Ausländer, Randständige, Andersgläubige, das Fremde, das Andere, das 
        Unbekannte oder anders ausgedrückt: Ängste. Da wird die Solidarität arg 
        strapaziert. 
        Wir müssen deshalb zuerst, 
        und immer wieder, zu uns selbst finden, zu den christlichen Werten, die 
        uns wichtig sind. Dann können wir Solidarität leben, wie sie Jesus uns 
        vorgelebt hat: als Nächstenliebe, die alle Menschen einschliesst.
        Soweit das diesjährige 
        Bettagsmandat.
         
        
        Lassen Sie mich eine direkte 
        Frage stellen, liebe Gemeinde: Ist Solidarität ein christliches Konzept?
        In der Bibel taucht das Wort 
        nicht auf.
        Geht man der Geschichte und 
        Verwendung des Begriffes nach, so fällt auf, dass es dabei immer um ein 
        Gefühl von Individuen und Gruppen geht, zusammen zu gehören. Dieses 
        Zusammengehörigkeitsgefühl äussert sich dann in gegenseitiger Hilfe und 
        füreinander Einstehen.
        Bereits im römischen Recht gab 
        es Solidarität in einer juristischen Form. Wir nennen sie heute 
        Solidarhaftung: Dabei schulden mehrere Personen jemandem Geld oder eine 
        Leistung so, dass jede von ihnen gegebenenfalls die ganze Leistung 
        allein erbringen muss, falls die anderen es nicht können.
        Solidarität im modernen Sinn 
        begann im 19. Jahrhundert in der Arbeiterbewegung eine grosse Rolle zu 
        spielen. Es ging dabei um eine Kameradschaft und Brüderlichkeit, in der 
        man sich füreinander einsetzt.
        Zuerst geographisch begrenzt, 
        wurde Solidarität in einem zweiten Schritt auch international und 
        weltweit gefordert.  Heute spricht man sogar von Solidarität mit 
        der Umwelt.
        Beim Solidaritätsbegriff der 
        Arbeiterbewegung wird aber auch etwas vom abgrenzenden Charakter von 
        Solidarität sichtbar: es ging um einen gemeinsamen, solidarischen Kampf 
        gegen den Gegner im Klassenkampf, gegen die Ausbeutung durch die 
        Kapitalisten. Oder im Fall der Solidarnosc nach 1980 in Polen um die 
        Bekämpfung des herrschenden politischen Regimes.
        Im 20. Jahrhundert entwickelte 
        sich Solidarität in den sozialistischen und sozialdemokratischen 
        Parteien zu einem zentralen Begriff.
        Der Solidaritätsgedanke hatte 
        grossen Einfluss auf die Gestaltung des Sozialwesens in der Schweiz, 
        namentlich im Bereich der Sozialversicherungen. Die Idee ist, dass jedes 
        Mitglied der Gemeinschaft Beiträge in eine gemeinsame Kasse bezahlt. 
        Daraus werden jenen, die Schaden erleiden, - oder im Falle der AHV, 
        jenen die pensioniert werden - finanzielle Beiträge ausgerichtet. Die 
        Systeme sind zudem oft so eingerichtet, dass sie einen gewissen 
        Umverteilungseffekt von den Wohlhabenden zu den Finanzschwachen haben.
        Die Sache liegt bei diesen 
        Modellen insofern anders als bei früheren Solidaritätskonzepten, als 
        diese Solidarität nicht freiwillig ist und beispielsweise im Fall der 
        AHV Solidarität über ganze Generationen hinweg erfordert.
        In den letzten Jahren wurde 
        diese Art von Zwangssolidarität zunehmend kritisiert. Vor allem 
        Vertreter eines neo-liberalen Wirtschaftsverständnisses pochen wieder 
        vermehrt auf Eigenverantwortlichkeit der Menschen.
        Unsere Gesellschaft wurde in den 
        letzten Jahren egoistischer, auf das eigene Wohl bedachter. „Jeder ist 
        seines eigenen Glückes Schmied“, heisst die Parole.
        Das gibt dem Einzelnen grössere 
        Möglichkeiten, sich nach oben zu schaffen, setzt ihn aber auch unter 
        beständigen Leistungsdruck - und lässt ihn stärker allein, wenn er im 
        beständigen Lebenskampf scheitert und umfällt.
        Wer kein Sieger ist, ist schnell 
        ein Versager. Spitzenleute in Wirtschaft, Sport und Kultur verdienen 
        sich eine goldene Nase. Zu weniger Leistung Fähige müssen schmaler oder 
        sehr schmal durchs Leben. Abgelehnte Asylbewerber erhalten in der Nacht 
        Unterkunft und täglich acht Franken zur Ernährung.
        Dennoch gilt Solidarität in 
        unserer Gesellschaft immer noch als hoher Wert. Nach meinem Geschmack 
        wird das Wort aber oft inflationär verwendet und zu sehr strapaziert.
        Wo nicht überall soll man heute 
        doch solidarisch sein! - Und, wie im Bettagsmandat beschrieben, nicht 
        selten vor allem im eigenen Interesse oder im Interesse einer bestimmten 
        Gruppe oder Partei.
        Zurück zu meiner Eingangsfrage: 
        Ist Solidarität nun eigentlich ein christliches Konzept?
        Geschichtlich stammt der Begriff 
        also nicht aus der biblischen Tradition. Das Wort kommt in der Bibel 
        nicht vor.
        Und inhaltlich? Nach den 
        Überlegungen von vorher, werden wir wohl nicht mehr mit einem 
        uneingeschränkten Ja antworten.
        Das Problem ist der 
        ausschliessende Charakter von Solidarität, der Umgang mit jenen, die 
        nicht Glied der Solidargemeinschaft sind.
        Für den christlichen Glauben 
        typisch ist aber gerade die einschliessende Nächstenliebe, unter 
        Einschluss selbst der Feinde.
        Wir kennen alle Jesu Worte aus 
        dem Lukasevangelium (6,27ff):
        „Liebet eure Feinde!
        Tut wohl denen, die euch hassen!
        Segnet, die euch verfluchen!
        Betet für die, die euch misshandeln!
        Wer dich auf die eine Backe schlägt,
        dem halte auch die andere hin,
        und wer dir den Mantel nimmt,
        dem verweigere auch das Gewand nicht.
        Gib jedem, der dich bittet;
        und wenn einer dir etwas nimmt,
        dann fordere es nicht zurück“.
        
        Beim Apostel Paulus lesen wir im Römerbrief (12,20):
        „Wenn dein Feind Hunger hat,
        gib ihm zu essen;
        wenn er Durst hat,
        gib ihm zu trinken.“
        Die Radikalität christlicher 
        Nächstenliebe unter Einschluss des Feindes geht also weit über das 
        Prinzip der Solidarität hinaus. Christliche Nächstenliebe ist 
        einschliessend und nicht ausschliessend.
        Insofern Solidarität mit 
        Gleichgesinnten Nicht-Solidarität mit Nicht-Gleichgesinnten bedeutet, 
        ist sie aus christlicher Sicht sogar zu kritisieren.
         
        D) Einer trage des anderen Last
        Liebe Gemeinde
        Ich weiss nicht, wie es Ihnen jetzt ergangen ist. Vielleicht sind Sie 
        etwas überrascht, was ich Ihnen hier an nicht gerade üblichen Gedanken 
        zu einem selbstverständlich erscheinenden Begriff vortrage.
        Ich muss gestehen, dass mich das 
        diesjährige Bettagsmandat selber auch zum Nachdenken gebracht hat. Noch 
        vor kurzem hätte ich wohl unkritischer über Solidarität gesprochen. Mein 
        Kollege im Kirchenrat, Hans Peter Schmid, hat mich zum Nachdenken 
        gebracht. 
        Die Frage ist nun aber, und Hans 
        Peter Schmid versuchte sie in seinem Text ebenfalls zu beantworten, wie 
        denn diese umfassendere, diese radikalere Sicht des christlichen 
        Glaubens im Alltag gelebt werden kann, wenn das Konzept Solidarität zu 
        kurz greift.
        Wir müssen dabei aufpassen, dass 
        wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Jesus war ja nicht einfach 
        „neutral“. Er hat sich sein ganzes Leben lang für die Armen, für die 
        Kranken, für die schuldbeladenen Menschen, für die von der Gesellschaft 
        Ausgeschlossenen  eingesetzt.
        Jesus war unzweifelhaft ein 
        radikal solidarischer Mensch. Das hat ihn letztlich das Leben gekostet.
        Aber Jesus war nicht auf die Art 
        solidarisch, dass er sich mit den Benachteiligten solidarisiert, und 
        dafür die Reichen, die Gesunden, die moralisch Korrekten und die 
        gesellschaftlich Etablierten zu Gegnern erklärt hätte.
        Typisch für Jesus ist seine alle 
        Menschen in gleicher Weise einschliessende
        Liebe und sein Verständnis, dass sie alle Kinder Gottes und deshalb 
        geliebt
        und zu lieben sind.
        Ich glaube darum, dass wir Jesus 
        entsprechend nur leben können, wenn wir uns ebenfalls dieses 
        Menschenverständnis Jesu schenken lassen.
        Solange wir die Welt in Freunde 
        und Feinde, in Gläubige und Nicht-Gläubige, in Einheimische und 
        Ausländer in schuldige und moralisch intakte Menschen einteilen, können 
        wir nicht jesusgemäss leben.
        Wir müssen uns zuerst etwas 
        schenken lassen, bevor wir selber schenken können.
        Wir müssen uns die Erfahrung 
        schenken lassen, dass Gott jedes von uns so liebt, wie wir eben sind, 
        perfekt oder nicht perfekt, solidarisch oder nicht solidarisch. Gott 
        solidarisiert sich mit jedem einzelnen von uns.
        Wenn wir das aber für uns selber 
        wirklich begriffen haben, dann können wir doch nicht anderen Menschen 
        Gottes Liebe verweigern. - Ob sie nun in unseren Augen perfekt oder 
        nicht perfekt, Ausländer oder Einheimische, schuldige oder Menschen mit 
        hoher Moral sind.
        Wenn wir das einmal wirklich 
        begriffen haben, kann unsere Solidarität nur noch allen Menschen gelten. 
        Sie kann keine exklusive Solidarität bloss mit Gleichgesinnten mehr 
        sein.
        Und das wiederum verändert unser 
        Handeln entscheidend. Wir setzen uns nun im Rahmen unserer Kräfte für 
        jeden Menschen ein, der unseren Einsatz nötig hat.
        Frage: Wie kann man diese 
        Handlungsmaxime in einem kurzen Satz ausdrücken?
        Liebe Gemeinde, ich habe am 
        Anfang dieser Predigt versprochen, dass wir nach einem Umweg 
        gewissermassen durch die Hintertüre zu unserem Predigtwort zurückkehren 
        werden. Jetzt ist der Zeitpunkt dafür.
        Mir scheint unser Predigttext in 
        Galater 6,2 auf ganz simple Weise auszudrücken, worum es in unserem 
        Alltag geht. Wir müssen gar nicht hochgestochen von Solidarität und 
        allem Möglichen sprechen.
        Wir können es auch ganz einfach 
        sagen - eben so, wie es der Apostel Paulus den Galatern geschrieben hat: 
        „Einer trage des anderen Last“. So einfach ist das.
        Also einfach mit offenen Augen 
        durch die Welt gehen Und die Menschen lieben – wie Jesus sie geliebt 
        hat.
        Dann werden wir sehen, wie viele 
        von ihnen in unserer Umgebung, aber auch im Grossen der ganzen Welt mit 
        schweren Rucksäcken durchs Leben gehen und Unterstützung benötigen.
        Ihnen bieten wir an, etwas von 
        ihrer Last an uns abzugeben. Das tun wir als Einzelpersonen, und das tun 
        wir als Mitglied eines Kollektivs durch unsere politischen Entscheide. 
        Wir tragen die Lasten anderer Menschen mit, - einfach, unkompliziert und 
        ohne Eigeninteresse.
        Nennen Sie es Solidarität, 
        nennen Sie es Mitmenschlichkeit, nennen Sie es christliche 
        Nächstenliebe, nennen Sie es, wie Sie wollen.
        Tragen Sie einfach mit:
        „Einer trage des anderen Last“.
        Weil Jesus Christus uns alle 
        liebt und trägt.
        Amen.