Vorstellung als Kirchenratskandidat,
        Juni 1998
        Pfr. Dr. Dölf Weder
          Mein
          Mandat als Generalsekretär des Europäischen CVJM Bundes läuft im
          Herbst 1999 aus. Für die Zeit ab Herbst dieses Jahres ist eine Übergangsperiode
          mit Einarbeitung des Nachfolgers vorgesehen. Für meine eigene Zukunft
          dachte ich an die Rückkehr in ein Pfarramt oder an eine
          Spezialaufgabe, in der ich meine spezifischen Erfahrungen einbringen
          könnte - oder an eine Kombination von beidem. In diese Situation
          hinein kam die unerwartete Anfrage, als Kirchenrat zu kandidieren.
          Nach einigem Überlegen und Rücksprache mit meinem Vorstand, vor
          allem auch bezüglich der notwendigen zeitlichen Verfügbarkeit, sagte
          ich zu. Ich glaube, dass ich einen Beitrag an die Arbeit der
          Kantonalkirche leisten könnte und mich diese Aufgabe zugleich
          befriedigen als auch auf neue Art herausfordern würde.
          
          
          Durch
          mein Leben ziehen sich zwei grosse Linien. Zum einen das Engagement für
          junge Menschen.
          
          
          Nach
          eigenem Aufwachsen in der christlichen Jugendarbeit und deren
          theoretischer Reflexion in meiner Dissertation, lebte ich dieses
          Engagement als Jugendsekretär, Gemeindepfarrer und Feldprediger
          vorerst im direkten Kontakt mit Jungen. In den letzten Jahren wirkte
          ich dann mehr im Hintergrund, in der Begleitung des Aufbaus und der
          Weiterentwicklung von Jugendarbeit vor allem in Süd- und Osteuropa,
          aber auch im Umgehen mit den vielfältigen Herausforderungen,
          denen sich heute Westeuropa gegenüber sieht. Stark prägend waren für
          mich in dieser Zeit verschiedene Begegnungen mit Asien und
          Lateinamerika.
          
          
          Diese
          Erfahrungen bestätigten in mir die Überzeugung, dass die Zeit der
          Trauer über die Entfremdung vieler heutiger Menschen von Kirche und
          christlichen Organisationen vorbei sein muss. Wir sollen und wir können
          mit neuem Mut und neuen Visionen aufbrechen in eine Zukunft, in der
          Christus und die Kirche mit den Menschen sind, Seite an Seite.
          Glaube will gelebt werden - wie ihn Jesus selber wandernd mit seinen Jüngern
          lebte. Dazu möchte ich auch in meinem nächsten Lebensabschnitt
          einen Beitrag leisten.
          
          
          Eine
          zweite Lebenslinie ist die Verbindung von Pfarrer-Sein und Führungsaufgaben
          in Non-Profit Organisationen.
          
          
          Sie
          ist angelegt in meiner Freude an Vielseitigkeit und Kommunikation,
          in Begeisterungsfähigkeit und einem Bedürfnis nach Integration und
          Ganzheitlichkeit. Bereits meine Studienjahre verbanden Theologie
          mit Sozialwissenschaften und Ökonomie sowie mit der damals
          aufkommenden Informatik. Glaube ist für mich kein Hinterhof des
          Lebens, sondern eng mit dessen Ganzheit verbunden.
          
          
          Als
          CVJM Sekretär in St. Gallen vermochte ich, einige kreative Beiträge
          zu leisten und verschiedene junge Menschen einige Schritte auf dem Weg
          ihres Lebens und Glaubens zu begleiten.
          
          
          Die
          Zeit als Gemeindepfarrer in Wil brachte mir insbesondere ein
          intensives Ringen um ein mich selber und die Hörer berührendes
          Predigen und einen erlebnispädagogisch ausgerichteten
          Konfirmandenunterricht.
          Das Präsidium der Synodalkommission für die Revision der
          Pfarrerbesoldungen und ein Nebenamt als Religionslehrer an der
          Kantonsschule St. Gallen waren zusätzliche Aufgaben.
          
          
          Als
          ich 1990 CVJM Europasekretär wurde, wartete vor allem mit Osteuropa
          eine ganz neue Herausforderung auf mich. Zu meinem
          Verantwortungsbereich
          gehören heute fast 40 europäische Länder mit rund 2 Millionen
          Programmteilnehmern sowie ein internationaler Mitarbeiterstab.
          
          
          Ich
          fühlte mich stark gefordert von für mich neuen Aspekten wie der
          partizipativen Entwicklung von Leitbildern, Strategien und
          Bildungskonzepten. Wir stellten uns tiefgehenden Fragen nach unserem
          sozialpolitischen Engagement (z. Bsp. Stichwort Soziale Ausgrenzung)
          sowie nach neuen Formen einer zeitgemässen christlich-oekumenischen
          Jugendspiritualität.
          Es
          ist mir in all dieser Vielfalt eine besondere Freude, dass es gelang,
          auf europäischer Ebene über alle Grenzen hinweg ein starkes Gefühl
          christlich begründeter Gemeinschaft wachsen zu lassen und eine Kultur
          von Offenheit und Teamwork zu fördern.
          
          
          Wenn
          auch die Aufgaben einer Kantonalkirche anders gelagert sind und natürlich
          eine angemessene Einarbeitungszeit erfordern, so meine ich doch,
          dass sie viele strukturelle Ähnlichkeiten mit meiner jetzigen
          Aufgabe aufweisen. Welchen Werten, Überzeugungen und Erfahrungen ich
          mich bei deren Bewältigung verpflichtet fühle, dürfte aus obigen
          Ausführungen deutlich geworden sein.
          
          
          Es
          ist an der Synode zu entscheiden, welches Profil ihre Verantwortlichen
          haben sollen. Ich möchte hier einfach sagen, dass ich Freude daran hätte,
          das in die St. Galler Kirche einzubringen, was ich anzubieten
          habe - als Mensch, Christ und Theologe, welcher auch in einer neuen
          Lebensphase weiterhin mit und neben seinen Mitmenschen gehen möchte,
          Seite an Seite, auf dem gemeinsamen Weg des Lebens und Glaubens.