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        Im Jahr 2005 hat die Synode der Evang.-ref. Kirche 
        des Kantons St.Gallen das Dienstverhältnis für Pfarrpersonen neu 
        geregelt. In Wartau-Gretschins wurde das neue Verfahren erstmals bis zum 
        Volksentscheid durchgezogen. Pfarrer Fridolin Schindler wurde mit 201 
        gegen 69 Stimmen klar abgewählt. Hat die neue Regelung ihre Feuertaufe 
        bestanden? – Ein Gespräch mit Kirchenratspräsident Dölf Weder.
        
        Kibo: Streit in der Kirchgemeinde – ist das 
        christlich?  
        Dölf Weder: Konflikte gehören zum Leben, also auch zur Kirche, Streit 
        gab es auch in der Urkirche. Die Frage ist, nach welchen Leitlinien und 
        in welchem Geist Konflikte ausgetragen werden. Was die Rechtslage 
        betrifft, ist unsere Regelung nicht unbiblisch. Verkündigung wie auch 
        Gemeindeleitung sind bei Paulus Gnadengaben, geistliche Ämter. Da gibt 
        es keine Hierarchie. 
        Wie 
        hat sich die Stellung des Pfarramts im neuen 
        Dienstreglement verändert? 
        Der Pfarrer hatte früher eine dominante Rolle und war auf Lebzeit 
        gewählt. In Deutschland präsidiert er teils bis heute die 
        Kirchenvorsteherschaft. Für unsere St.Galler Kirche ist das Modell der 
        «gemeinsamen Gemeindeleitung» kennzeichnend. Pfarrerpersonen sind nicht 
        übergeordnet, aber auch nicht nur Angestellte wie neuerdings in der 
        Appenzeller Kirche, wo die Pfarrer von der Vorsteherschaft entlassen 
        werden können. Bei uns ist das Verhältnis ein partnerschaftliches, und 
        der letzte Entscheid liegt immer beim Kirchenvolk.
        
        Braucht das Amt der Verkündigung nicht einen 
        speziellen Schutz?  
        Das Neue Testament kennt keine unangreifbare Stellung des Verkündigers. 
        Erst später hat der Klerus eine Machtstellung erhalten, die in der 
        charismatischen Verfassung der paulinischen Gemeinden nicht vorhanden 
        war. Die Gleichberechtigung liegt in der Logik der Reformation mit ihrer 
        Idee des allgemeinen Priestertums. Unsere Kirchenverfassung garantiert 
        aber die Freiheit der Verkündigung.
        
        Hierarchien könnten Konflikte verhindern. 
        Ein Streit auf Augenhöhe ist oft heilsamer als eine über lange Zeit 
        ertragene Spannung oder das Machtwort einer Obrigkeit. Unsere Regelung 
        bietet für den Konfliktfall einen fairen Rahmen. Die Pfarrperson und die 
        Vorsteherschaft haben gleich lange Spiesse. In Wartau-Gretschins hat der 
        Pfarrer die Öffentlichkeit gesucht, die Vorsteherschaft verteidigte 
        ihren Entscheid. Am Ende entschied die mündige Gemeinde, die das Amt der 
        Verkündigung jemandem anvertraut, es ihm aber auch wieder nehmen kann. 
        Der kantonale Kirchenrat fällt keinen Entscheid, er schaut nur, dass 
        rechtlich alles korrekt abläuft. 
        Wie 
        deuten Sie diese Veränderungen im 
        Amtsverständnis? 
        Das ist ein Demokratisierungseffekt. Solche Veränderungen sind auch bei 
        den Lehr- und Arztberufen festzustellen. Die formale Autorität gilt 
        weniger, es wird inhaltliche Autorität gefordert: Leistung und 
        Persönlichkeit. 
        Oft 
        sind es auch einfach schwierige 
        Konstellationen, die zu Konflikten führen.  
        Ja, darum soll das Volk das letzte Wort haben. Im subjektiven Urteil 
        gibt es «schwache Pfarrer», «problematische Vorsteherschaften» wie auch 
        «schwierige Konstellationen». Die Kirchgemeindeversammlung soll über 
        individuellen Animositäten stehen, obwohl auch da gruppendynamische, 
        massenpsychologische oder medienwirksame Kräfte wirken – wie bei 
        politischen Wahlen. 
        Im
        Idealfall sollte der Streit intern gelöst 
        werden?  
        Ein Streit, in den das Kirchenvolk verwickelt wird, ist keine Schande, 
        sondern Preis der Demokratie. Für die Gemeinde wäre es besser, wenn man 
        vorher zu einer Lösung kommt. Aber es geht um ein öffentliches Amt, 
        darum wird der Streit im Eskalationsfall halt auch öffentlich, aber 
        demokratisch ausgetragen.
        
        Gibt es andere Gemeinden mit 
        Konfliktpotential?  
        Sicher gibt es die. In jeder Beziehung zwischen Menschen muss man sich 
        mit Spannungen auseinandersetzen. Solche Spannungen sagen aber noch 
        nichts aus über die Qualität der Vorsteherschaft oder der Pfarrerinnen 
        und Pfarrer. Es gibt auch Pfarrpersonen, die gegen aussen gut ankommen, 
        intern aber wenig kooperativ sind. Dann wird eine Vorsteherschaft 
        zurückhaltend bleiben. Der Leidensdruck muss schon sehr hoch sein, bis 
        sie zur Kündigung schreitet. 
        
        Schlussendlich Ihr guter Rat?  
        Wie in einer Ehe, so braucht auch die Kirche eine Kultur mit der ganzen 
        Bandbreite von diskutieren, verschiedener Meinung sein, mit Konflikten 
        umgehen – bis hin zum Moment, wo es nicht mehr geht, und man versucht, 
        sich in Anstand zu trennen. Darum legen wir viel Wert auf regelmässige 
        Mitarbeitergespräche und auf die Möglichkeit von Supervision, 
        Laufbahnberatung und Weiterbildung.  
 
        
        Interview: Andreas 
        Schwendener
          
        
        Faires 
        Dienstverhältnis 
         
        Ein veraltetes Abwahlverfahren für Pfarrpersonen wurde in der St.Galler 
        Kirche 1996 ersetzt durch die Möglichkeit, nach vierjähriger Amtsdauer 
        die Gemeinde über die Wiederwahl entscheiden zu lassen. Die 2005 
        beschlossene Regelung schafft gleich lange Spiesse. Eine Kündigung kann 
        jederzeit angedroht werden, wobei der Pfarrperson Zeit bleibt, sich neu 
        zu orientieren oder das Kirchenvolk entscheiden zu lassen. 
        (as)
         
          
        
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        Inhalt
        Streit 
        Stellung des Pfarramts 
        Schutz 
        Hierarchien 
        Amtsverständnis 
        Konstellationen 
        Streitschlichtung 
        Konfliktpotential 
        Guter Rat 
        Faires Dienstverhältnis 
          
          
      Konflikte gehören zum Leben, also auch zur Kirche.     
      Unsere Kirchenverfassung garantiert die 
      Freiheit der Verkündigung.
               
      Ein Streit auf Augenhöhe ist oft heilsamer als eine über lange Zeit 
      ertragene Spannung.     
      Die formale Autorität gilt weniger, es wird inhaltliche Autorität 
      gefordert.
           
      Es geht um ein öffentliches Amt, darum 
      wird der Streit im Eskalationsfall halt auch öffentlich, aber demokratisch 
      ausgetragen.
             
      In jeder Beziehung zwischen Menschen muss man sich mit Spannungen 
      auseinandersetzen.
             
      Auch die Kirche braucht eine Kultur mit der ganzen Bandbreite von 
      diskutieren, verschiedener Meinung sein, mit Konflikten umgehen - bis hin 
      zum Moment, wo man versucht, sich in Anstand zu trennen.        |