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Bei dir Herr ist die Quelle des Lebens
(Psalm 36,10 und Jeremia 17,7-8)

Predigt zum 50-Jahr Jubiläum der Stiftung CVJM Ferienheim La Punt (Engadin)

 

 

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Sonntag, 14. September 2003
Evangelische Kirche St. Andrea, La Punt-Chamues-ch (Engadin), Pfr. Dr. Dölf Weder


Liebe Gemeinde

In der Predigt zum heutigen Jubiläumsgottesdienst möchte ich meinen eigenen Konfirmationsspruch in die Mitte stellen. Er zierte die Wand des Unterrichtszimmers im Pfarrhaus Heiligkreuz St. Gallen, in welchem wir unseren Konfirmandenunterricht genossen. Inzwischen wurde das Zimmer renoviert und der Bibelspruch überpinselt. Eine tiefe Wahrheit auszudrücken scheint er mir aber noch allemal, heute genauso wie zur Zeit seiner Verfassung vor hunderten von Jahren. Es ist Psalm 36,10:

„Bei dir, Herr, ist die Quelle des Lebens,
und in deinem Lichte
sehen wir das Licht.“

Vom Wasser ist da die Rede, und vom Licht. Und von der Frage, woher denn dieses lebensspendende Wasser und dieses Licht für unser Leben letztlich her kommt.

Nun sind sowohl Wasser als auch Licht zwei Elemente, die ich in meinem eigenen Erleben sehr stark mit dem Engadin verbinde. Mich würde es nicht überraschen, wenn es vielen von Ihnen hier in der Kirche ebenso erginge.

Natürlich, zuerst denkt man bei „Engadin“ mal an die Berge, an hohe, weisse Berge. An den wunderschönen Piz Palü und seine Gipfelgrate, und an die majestätische Bernina mit dem Bianco-Grat; an Piz Languard und La Margna, an Piz Kesch und natürlich an unseren Piz Mezzaun hier. In jedem von uns steigen da Bilder auf. Bilder von wunderschönen Bergen. Aber auch Bilder von eigenem Erleben mit ihnen. Von unvergesslichen Bergtouren, und von Kameradschaft mit Gleichgesinnten.

Aber dann steht das Engadin schon bald einmal auch für Wasser. Hier in La Punt-Chamues-ch denkt man natürlich sofort an den Inn, an die Chamuera und an das Bädli. Aber da sind auch die vielen grösseren und kleineren Wasserfälle überall. Und vor allem die unendliche Zahl murmelnder Bäche und Bächlein, umsäumt von saftigem Gras und farbiger Sommerblumenpracht.

 

Ein Stück Paradies

Für mich hat ein Ort eine besondere Bedeutung. Es ist die saftig-grüne Wiese mit dem murmelnden Bach schräg unterhalb der Alp Languard oberhalb von Pontresina. Die Wiese liegt am Weg von der Paradies-Hütte Richtung Röntgenplatz, grad bevor man unterhalb der Alp Languard in den Wald mit der Gruppe der wundervollen Arvenbäume hinein kommt.

Wenn ich mir eine saftige Wiese mit murmelndem Bächlein vorstelle, oder wenn ich Psalm 23 höre: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln, auf grünen Auen lässt er mich lagern, zur Ruhstatt am Wasser führt er mich“, dann kommt mir stets dieses kleine Stück Paradies in den Sinn.

Jedes von uns hier in dieser Kirche hat wohl sein eigenes Bild von seiner Wiese mit dem murmelnden Bächlein, hat wohl sein eigenes Bild von seinem kleinen Stück Paradies. Von Zeit zu Zeit steigt es auf vor unserem inneren Auge.

Ich glaube, es ist wichtig für jedes von uns, so ein Stück Paradies auf Erden zu haben. Ein Bild, zu dem man zurückkehren kann, wenn man Ruhe und Frieden sucht. Und noch schöner ist es, wenn man dieses Bild ab und zu auch in der Wirklichkeit besuchen kann. Vielleicht sogar irgendwo hier im Engadin.

„Sehet die Lilien auf dem Felde!“, höre ich in meinen Jugenderinnerungen den alt-ehrwürdigen Pfarrer Signorell in der Kirche La Punt immer noch predigen. Sehet das Wasser, sehet das Grün, das diese Lilien nährt.

In so einer saftigen Blumenwiese an einem Bächlein sitzen können, nichts tun, einfach schauen, dem Wasser folgen, bis es weiter unten irgendwo verschwindet, unterwegs auf dem Weg zur Weite des Meeres. Wundervoll.

Für mich sind das starke Momente der Entspannung, der Geborgenheit, des unbesorgten Lebens im Jetzt. Ein Stück heilen Lebens, Distanz von den Sorgen des Alltags und von all den Verpflichtungen und Verantwortungen, die er mit sich bringt.

Sicher, der Weg führt anschliessend wieder zurück. Das leuchtende Licht des Engadins, von Giovanni Segantini so wundervoll auf Leinwand gezaubert, wird vertauscht mit dem vertrauten Alltagslicht im Unterland. Aber wir fühlen uns neu gestärkt. Wir haben wieder ein Stück Mitte in uns gefunden.

Nun - sprudelndes Wasser in einem Bächlein, das kommt irgendwo her. Es entspringt einer Quelle, einem Gletscher, einem Schneefeld. Und erst diese Quelle ermöglicht das Murmeln des Bächleins,  ermöglicht das saftige Grün der Wiesen. Ohne Quelle kein Wasser. Ohne Wasser keine grüne Wiese.

Und da kommen wir jetzt auf unseren Psalmtext zurück.

 

Das Woher des "Lebenssaftes"

Haben Sie sich auch schon gefragt, warum es Menschen gibt, die so eine elementare Lebendigkeit in sich haben? Die Energie und Tiefe ausstrahlen? Die im Leben tief verwurzelt schein und Verantwortung übernehmen?

Und warum es andere Menschen gibt, die wie vom Lebenssaft abgeschnitten wirken, lebendig am Verdorren?

Oder warum es Menschen gibt, die haltlos und wurzellos, wie Treibsand durch das Leben wirbeln, nur auf das eigene Interesse, nur auf Macht, auf Konsum und auf den eigenen materiellen Vorteil bedacht? Menschen, die keine Verantwortung übernehmen und für keine Überzeugungen einstehen?

Woher kommen denn Wurzeln, woher gesunder Lebenssaft? Woher das Wasser, das uns lebendig,verantwortlich,  zuversichtlich und glücklich macht? Woher kommen Sinn und Tiefe im Leben, sogar dann, wenn mal dunkle Gewitterwolken über unsere Existenz ziehen?

„Bei dir, Herr, ist die Quelle des Lebens“ sagt unser Psalmvers. In Gottes Nähe entspringe Wasser und von dort fliesse es durch unser Leben. In Gottes Nähe entspringe lebendiges Leben, sagt unser Psalmist.

Auf den ersten Blick ist das einfach mal eine Behauptung. Auf den zweiten Blick ist kritisch zu sagen, dass es wohl auch Menschen voller Leben und mit viel Engagement gibt, die nicht so wahnsinnig nahe an Gott leben, oder zumindest nicht so nahe an unserem christlichen Gott.

Aber dieser Psalmen-Satz schliesst solches nicht aus. Er spricht bloss von einer menschlichen Erfahrung. Von einer Erfahrung, die unzählige Menschen und viele Generationen durch alle Jahrtausende hindurch in ihrem Leben gemacht haben: dass es nämlich eine Quelle des Lebens gibt. Und dass man sich an ihrem Wasser laben und stärken kann.

Und darum ist dieser Satz nicht nur eine Behauptung, sondern eine Erfahrung von Millionen von Menschen. Und er ist auch ein Angebot: Mensch, setz dich in meine Nähe, setz dich an mein Quellwasser. Spüre, wie dich mein Wasser lebendig macht. Spüre, wie du grünst und für deine Mitmenschen Verantwortung übernimmst und vielfältige Frucht bringst.

Ich weiss, liebe Gemeinde dass jetzt viele unserer Zeitgenossen einwenden werden: Fromme Sprüche, Romantizismus, naive Weltflucht, viel zu einfach, den komplizierten Realitäten unserer Welt nicht standhaltend.

Ich weiss auch, dass der Weg von diesem Quellwasser immer wieder zurück in den Alltag, in den ganz prosaischen Alltag führt, mit seinen oft nicht einfachen Aufgaben und Verantwortungen.

Aber ich muss Ihnen einfach sagen, dass ich mir diese, auch meine, Erfahrung nicht ausreden lasse: Dass es diese Quelle des Lebens gibt, und dass sie uns immer wieder stärkt, uns Wurzeln wachsen lässt, und uns ausrüstet, im Alltag der Welt mit offenen Augen zu leben und mit zupackenden Händen zu arbeiten, als verantwortliche Menschen.

Und damit kommen wir zur Bedeutung eines Werkes wie der Stiftung CVJM Ferienheim La Punt. In diesen 50 Jahren hat die Stiftung tausenden und zehntausenden von jungen Menschen ein Dach über dem Kopf und einen Ort gemeinschaftlichen Lebens und miteinander Sprechens gegeben. Keines von uns hier weiss, wie viele wichtige Gespräche über das Leben und auch über den Glauben in diesen Häusern in den 50 Jahren geführt worden sind.

Ich weiss, dass vorab die Lager des CVJM St. Gallen, aber auch die Lager vieler anderer Organisatoren immer wieder versucht haben, das Erlebnis der Gemeinschaft und das Erlebnis der wundervollen Engadiner Landschaft mit dem Glauben zu verbinden.

Und ich weiss aus eigenem Erleben, dass ich ebenso wie viele hunderte andere durch eben solche Erlebnisse und Gespräche tief geprägt worden bin. Die gemeinsame Suche nach dem Saft im Leben, die Suche nach der Quelle des Wassers in der menschlichen Existenz hat mich und viele andere zutiefst beeinflusst und hat uns tiefe Wurzeln schlagen lassen. Ohne diese Erlebnisse in La Punt wäre ich auch nicht Pfarrer geworden. Und ohne diese Erlebnisse stünde ich heute hier nicht predigend vor Ihnen.

Nähe zu Gott und damit frisches Quellwasser für unser Leben und tiefe Wurzeln für unsere Existenz heisst das Angebot.

 

Angebot und Verpflichtung

Für die Stiftung CVJM Ferienheim und deren Verantwortliche, aber auch für uns als christliche Gemeinde und als deren Glieder bedeutet das aber auch eine Verpflichtung.

Nämlich die Verpflichtung, dieses Angebot an die heutigen jungen Menschen weiter zu geben, klar und deutlich. Nicht feige zu kneifen und unseren Glauben schamhaft als privates Tabu zu behandeln. Sondern auf nüchterne, erwachsene Art davon zu reden: Dass es einen Gott gibt, der den Kontakt zu uns Menschen sucht. Einen Gott, der uns mit Wasser des Lebens lebendig machen und uns hinaus senden will zu unseren Mitmenschen, um dort im Alltag der Welt Verantwortung zu übernehmen.

Nähe zu Gott – Angebot und Verpflichtung für uns:
„Bei dir, Herr, ist die Quelle des Lebens.“

 

Baum, gepflanzt am Wasser, sein

Ich möchte diese Predigt schliessen, indem ich Ihnen noch einen zweiten Lieblingstext von mir mitgebe. Auch er hat mit Wiese und Bach zu tun. Vor allem aber mit einem Baum, der am Ufer dieses Baches gepflanzt ist und seine Wurzeln zum Bach hin ausstreckt.

Es geht wieder um die Frage: Woher erhalte ich denn den Lebenssaft für mein Leben? Wie kann ich tiefe Wurzeln schlagen? Denn ein Baum ohne Wurzeln stirbt oder ist bereits tot. Der Text sagt: So ein Baum mit Lebenssaft, sop ein Baum mit Wurzeln, ist der Mensch, der Gott vertraut, der seine Hoffnung auf Gott setzt und Gottes Nähe sucht.

Es ist das Angebot, als Mensch ein Baum zu sein, der am Wasser gepflanzt ist und der darum in der Welt Verantwortung übernimmt und Frucht trägt.

Der Text findet sich in Jeremia 17, 7-8. Und weil er für mich so wichtig ist, lese ich ihn in allen meinen Gottesdiensten vor dem Segen. Sie werden ihn heute also am Ende des Gottesdienstes nocheinmal hören:

"Gesegnet ist der Mensch,
der auf Gott vertraut
und dessen Hoffnung der Herr ist.
Er ist wie ein Baum,
der am Wasser gepflanzt ist
und seine Wurzeln
zum Bach hin ausstreckt."

Nicht jedes von uns findet dieses Wasser auf gleiche Weise. Aber ich glaube, jedes von uns weiss, wo und wie es zum Bächlein mit dem Quellwasser findet. Vielleicht ist es schon etwas überwachsen, vielleicht schon lange nicht mehr besucht. Vielleicht nur noch als unbestimmte Sehnsucht oder als leise Hoffnung auf ein Leben in Geborgenheit und Kraft vorhanden. Vielleicht verschweigen wir schamhaft die Quelle unseres Lebenswassers oder sind uns ihrer gar nicht bewusst.

Dieses Wasser und seine Quelle fliesst für jedes Leben, für jeden Menschen. Gott hat es uns versprochen. Jesus Christus hat uns den Weg gezeigt, es in unserem Leben zu finden. Strecken wir unsere Wurzeln nach ihm aus! Lassen wir es durch unser Leben fliessen und ihm Saft, Kraft und Tiefe geben! Denn:

„Bei dir, Herr, ist die Quelle des Lebens
und in deinem Lichte
sehen wir das Licht.“

Amen.

 



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Inhalt

Liebe Gemeinde

Ein Stück Paradies

Das Woher des "Lebenssaftes"

Angebot und Verpflichtung

Baum, gepflanzt am Wasser, sein

 

 

 

 

 

 

 

Es ist wichtig für jedes von uns, ein Stück Paradies auf Erden zu haben, ein Bild, zu dem man zurückkehren kann, wenn man Ruhe und Frieden sucht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ohne Quelle kein Wasser, ohne Wasser keine grüne Wiese.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

"Bei dir Herr ist die Quelle des Lebens" ist eine Erfahrung von Millionen von Menschen. Und das Angebot: Mensch, setz dich in meine Nähe, setz dich an mein Quellwasser. Spüre, wie dich mein Wasser lebendig macht. Spüre, wie du grünst und für deine Mitmenschen vielfältige Frucht bringst.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nähe zu Gott ist Angebot und Verpflichtung. Nämlich die Verpflichtung, dieses Angebot an andere Menschen weiter zu geben - nicht feige zu kneifen und unseren Glauben als privates Tabu zu behandeln.

 

 

 

 

 

 

Auf nüchterne, erwachsene Art davon reden: Dass es einen Gott gibt, der Kontakt zu uns Menschen sucht. Einen Gott, der uns mit Wasser des Lebens lebendig macht und uns hinaus senden will zu unseren Mitmenschen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nicht jedes von uns findet dieses Wasser auf gleiche Weise. Aber jedes von uns weiss, wo und wie es zum Bächlein mit dem Quellwasser findet. Dieses Wasser und seine Quelle fliesst für jedes Leben, für jeden Menschen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Strecken wir unsere Wurzeln nach ihm aus!